Wohnung Nr. 1 – “Deutschordenshaus”, Stadt 865

„Scherr er sich weiter, wenn er mir nicht recht dienen will.“1

So soll der Erzbischof Colloredo über Mozart gesprochen und ihn aus seiner Wohnung geworfen haben. Diese Wohnung, in der Mozart vom 16. März bis 2. Mai 1781 lebte, befand sich im Hause des Erzbischofs in der heutigen Singerstr. 7 am Stephansplatz. Es war und ist bis heute ein großer herrschaftlicher Sitz mitten in der Innenstadt.

Deutschordenshaus, Wien März 2007 © Zyanceus

Zu dem Haus gehört ein kleiner Konzertsaal/Gartensaal (sala terrena), in welchem Mozart im Auftrag des Erzbischofs musizierte, und auch eine kleine Kirche. In den Jahren 1863 bis 1865 wohnte Johannes Brahms in diesem Haus. Heute wie damals ist das Gebäude im Besitz des Deutschen Ordens.
Mozart musste weder Miete noch Essen selbst bezahlen, konnte musizieren und lebte im Zentrum Wiens. Trotz allem provozierte er den Erzbischof so weit, dass dieser ihn letzten Endes hinaus warf.

 

„Ich wuste nicht, daß ich kammerdiener wäre“ 2

Wolfgang Amadé Mozart reiste auf Befehl des Erzbischofs Colloredo von München nach Wien.
Zum Gefolge des Erzbischofs gehörten neben Mozart der Violinist und Konzertmeister Antonio Brunetti und der Kastratensänger Francesco Ceccarelli. Anders als Mozart wurden diese außerhalb untergebracht. Möglicherweise wollte der Erzbischof Mozart unter seiner Kontrolle wissen, da die Familie Mozart sich gerne zu viele Freiheiten herausnahm. So hatte Wolfgang Amadé Mozart seinen Urlaub bereits drei Monate überschritten und verließ trotzdem nur widerwillig München, wo er mit einem der besten Orchester Europas seine Oper Idomeneo aufführte.3

„Mein Nachbar ist – H: v: kleinmayern4, welcher bey meiner Ankunft mich mit allen höflichkeiten überhäufte – er ist auch in der that ein Charmante Mann – um 12 uhr zu Mittage – leider für mich ein bischen zu frühe – gehen wir schon zu tische – da speisen die 2 Herrn Herrn leib und Seel kammerdiener5 , H: Controleur6 , H: Zetti, der zuckerbäcker, 2 herrn köche, Ceccarelli, Brunetti und – meine Wenigkeit – NB: die 2 herrn leibkammerdiener sitzen oben an – Ich habe doch wenigstens die Ehre vor den köchen zu sitzen – Nu – ich denke halt ich bin in Salzburg -  bey tische werden einfältige grobe spasse gemacht; mit mir macht keiner spasse, weil ich kein Wort rede, und wenn ich was reden muß, so ist es allezeit mit der grösten seriositet – so wie ich abgespeist habe so gehe ich meines Wegs. – Abends haben wir keine tafel, sondern Jeder bekommt 3 duckaten – da kann einer weit springen. – der H: Erzbischof hat die güte und gloriert sich mit seinen leuten – raubt ihnen ihre verdienste – und zahlt sie nicht davor“7.

Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo

In diesem Brief wird deutlich, wie wenig geschätzt sich Mozart fühlte. Er war von einer Familie geprägt, die das Selbstverständnis hatte, mehr zu sein als eine gewöhnliche Hofmusikerfamilie.8 Mozart war sich zudem seines besonderen Könnens sehr wohl bewusst, schließlich hatte er es schon zu einigem Ansehen gebracht. Natürlich erwartete er daher, dass seine Person und seine gute Arbeit geachtet und dementsprechend mit einer außerordentlichen und besseren Behandlung belohnt wurden. Diese Haltung führte unausweichlich zu den Streitereien und dem späteren Zerwürfnis Mozarts mit dem Erzbischof, der seine Musiker als einfache Diener sah.
Innerhalb weniger Wochen nach seiner Ankunft verschlechterte sich das Verhältnis Mozarts zum Erzbischof so sehr, dass Mozart gebeten wurde, Wien wieder zu verlassen und nach Salzburg zurückzukehren. Dies war auch der Wunsch seines Vaters, der die sichere Anstellung Mozarts in Gefahr sah.
Um die Abreise Mozarts zu erreichen, entzog ihm der Erzbischof jegliche finanzielle Unterstützung und verbot ihm zudem, eine Akademie für sich zu geben, um an Geld zu kommen.

„Brunetti sagte heute beym Tisch, daß der arco9 ihm vom Erzbischof aus gesagt hätte, er sollte uns sagen, daß wir das dilligence geld bekommen werden, und bis Sonntag abreisen sollten; – übrigens wer noch bleiben wolle, O vernunft! könne bleiben, doch müsse er auf seine faust leben, er bekomme keine Tafel und kein Zimmer mehr von ihm aus […] als man mich fragte, was ich zu thun entschlossen wäre – antwortete ich; -  ich ignorire noch bis dato daß ich weg solle -  denn bevor es mir graf Arco nicht selbst sagt, so glaube ich es nicht - und ihm - werde ich mich dann schon entdecken. -  schmecks. Benecke10 war dabey und schmunzelte; – O, ich will dem erzbischof gewis eine Nase drehen, daß es eine freude seyn soll – und mit der grösten Politesse; denn er kann mir nicht aus;"11

  1. Brief vom 12. Mai 1781 aus: Wilhelm A. Bauer/Otto Erich Deutsch: Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe, Bd. 3. Hrsg. von der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg, Kassel u. a. 2005,  S. 112. []
  2. Brief vom 12. Mai 1781 aus Deutsch 2005, S. 113. []
  3. Vgl. Volkmar Braunbehrens: Mozart in Wien. Taschenbuchausgabe. München 2006, S. 21. []
  4. Franz Thaddäus von Kleinmayr(n); Direktor des Ezbischöflichen Hofrates. []
  5. Johann Ulrich Angelbauer und Franz Schlauka. []
  6. Ernst Maximilian Köllenberger; Kontrolleur im Obersthofmarschallstab, dem Oberstküchenmeister Karl Joseph Graf Arco unterstellt. []
  7. Brief vom 17. März 1781 aus Deutsch 2005, S. 94. []
  8. Vgl.  Braunbehrens 2006, S. 30. []
  9. Karl Joseph Felix Graf Arco; Kämmerer, Hofkriegsrat und Obristküchenmeister. []
  10. Dr. theol. Johann Michael Bönike (Boenike); Konsistorialsekretär und -notar. []
  11. Brief vom 4. April 1781 aus Deutsch 2005, S. 102 []