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Kirchen in Wien
von Margitta Priesnitz, am 03. 2012 in der Kategorie: Räume
Mozarts Kirchenkompositionen in Wien
Zahlreiche Kirchen bestimmen seit Jahrhunderten das Stadtbild Wiens, und alle hatten in ihrer Geschichte eine mehr oder minder große Bedeutung als Orte für die Kirchenmusik inne gehabt. Zur Zeit der Türkenkriege (1662-1664) kam es zwar in Österreich zu kultureller Blüte der Künste, die sich weit über den Hof, die Kathedralen und Klöster hinaus entfaltete, die "eigentliche" öffentliche Musikkultur, die allen sozialen Schichten zugänglich war, gab es hingegen allein in der Kirche, so dass der Kirchenraum eine zunehmende Bedeutung für die Verbreitung von Musik spielte.1 Charles Burney notierte hierzu 1772:
„Die vortrefflichen Musiken, die der gemeine Mann täglich in den Kirchen umsonst anhören kann, tragen mehr dazu bei, den Nationalgeschmack an guter Musik zu verfeinern und zu bestimmen als irgend etwas anderes…“ ((Charles Burney: Tagebuch einer musikalischen Reise. Bd. 2. Hamburg 1773, Reprint Leipzig 1975, 268f.))
Der Kirchenbau in Wien fand zur Zeit der Gotik zwischen 1330 und 1500 statt, eine zweite Phase ca. 1663 bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Neben dem Stephansdom ragt als barocker Bau die Karlskirche heraus mit einer weit ausladenden Fassade und gewaltiger Kuppel. Aber auch die anderen Klosterkirchen, wie z.B. die Kapuzinerkirche, die Dominikanerkirche und die Augustinerkirche, sind von architektonischer Bedeutung. Die Bevölkerung konnte im Kirchenraum ihre spezielle Art von Frömmigkeit in den Andachten durch Anbetung und intensiven Gemeindegesang leben.2
Politische Umwälzungen – die Reformen Josephs II.
Durch die politisch bedeutsamen Reformen Josephs II. fanden in der Zeit von 1780-90 in Österreich Veränderungen in fast allen Lebensbereichen statt, so auch im Bereich der Kirchenpolitik. Zahlreiche Klöster wurden aufgelöst und die Ausübung prunkvoller Gottesdienste insgesamt reduziert. Auch die Kirchenmusik war davon betroffen, sollte doch per Hofdekret Josephs II. nur noch ein Hochamt an Sonn- und Feiertagen im Dom St. Stephan und den Pfarrkirchen mit Orgel- und Instrumentalmusik gestattet sein, was zwangsläufig eine Einschränkung aller Kirchenmusikdienste bedeutete3. Es ging Joseph II. darum, die Praxis der liturgischen Abläufe von kostspieligem Aufwand und Veräußerlichung zu befreien zugunsten einer „geläuterten Herzensreligion“4. Die neuen Vorschriften und Erfordernisse der Liturgie bestimmten Komposition und Aufführungspraxis der in dieser Zeit entstandenen kirchenmusikalischen Werke essentiell.
Welche Konsequenzen hatte das für Mozart?
Für Mozart stellte sich die Situation in Wien komplett anders dar, als er sie in seiner Salzburger Zeit als Hoforganist vorgefunden hatte und zum Komponieren von Kirchenmusik regelrecht verpflichtet war. Die abweichenden Aufführungsumstände in Wien führten schließlich dazu, dass Mozart immer weniger Werke für den Kirchenraum schuf, auch und besonders aus dem Grund, da sein Schaffen nicht entsprechend bezahlt wurde und er häufig mit zu wenigen Musikern vorlieb nehmen musste, die ihm zur Verfügung standen. Die wenigen Werke, die in der Wiener Zeit entstanden sind, sind als Fragmente überliefert geblieben, da Mozart dazu übergegangen war, aus früher komponierten Messen der Salzburger Zeit einzelne Sätze herauszulösen und so neue Fassungen zu erstellen, die sich auch mit verkleinertem Orchester und Chören gut aufführen ließen.
Wichtige Werke
Zwei Werke sind, ebenfalls Fragment geblieben, hier zu erwähnen: Zum einen die Messe in c-Moll KV 427, deren Entstehungsgeschichte im Zusammenhang mit einem Gelübde steht, das Mozart bei seiner Heirat mit Constanze dieser gegeben hat (Weitere Hintergründe liegen im Dunkeln.) und somit einen sehr persönlichen Bezug hat. Vermutet wird, dass Mozart seine Frau als Sopransolistin der Öffentlichkeit präsentieren wollte, um daraus wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen. Zum anderen soll das Requiem in d-Moll KV 626 erwähnt werden, das als Auftragswerk anonym von Graf Walsegg-Stuppach zur Ehrung von dessen verstorbener Ehefrau bei Mozart bestellt worden war. Bereits 1789/90 hat Mozart sich wieder erneut nach einer längeren Pause der Kirchenmusik zugewandt.5 Im Mai 1791 wurde er zum Titular-Kapellmeister bestellt und konnte sich erst im Oktober 1791 der Komposition des Requiems widmen, so dass bis zu seinem Tod am 5.12.1791 nicht genügend Zeit blieb, das Werk fertig zu stellen.6 Da Mozart die Hälfte des Honorars von 25 Dukaten für die Komposition schon im Voraus erhalten hatte und sich Constanze nach Mozarts Tod sowieso in prekärer finanzieller Notlage befand, trat sie sofort an Mozarts Schüler heran, das Werk zu vollenden. Nur die ersten Teile des Requiems lagen ihr in Form von Skizzen vor und sie beauftragte schließlich Franz Xaver Süßmayr, einen der wichtigsten Schüler Mozarts, das Werk zu vollenden. So konnte sie schließlich das vollendete Werk auch wirtschaftlich nutzen. Die von Mozart selbst verfassten Teile (Introitus, Kyrie) wurden fünf Tage nach seinem Tod bereits in der Wiener Hofpfarrkirche St. Michael als Exequien vorgetragen. Mit Süßmayrs Ergänzungen versehen und unter der musikalischen Leitung des Auftraggebers, des Grafen von Walsegg, erklang das Werk schließlich erstmals im Gottesdienst am 14.12.1793 in der Kirche des Stiftes Neukloster in der Wiener Neustadt. Die erste öffentliche Aufführung fand jedoch bereits Anfang 1793 im Jahnschen Saal in der Himmelpfortgasse in Wien als Benefizkonzert für Constanze Mozart und ihre beiden Kinder statt.7
- Kammermusik wurde in den Residenzen, Adelshäusern, Salons und Opern nur an größeren Höfen aufgeführt. [↩]
- Vgl. Mozarts Kirchenmusik, Lieder und Chormusik. Das Handbuch. Bd. 4. Hrsg. von Thomas Hochradner/Günther Massenkeil. Laaber/Wien 2006. [↩]
- Vgl. Hans Hollerweger: Die Reform des Gottesdienstes zur Zeit des Josephinismus in Österreich. Regensburg 1976. [↩]
- Vgl. Peter Keller/Armin Kircher: Zwischen Himmel und Erde – Mozarts geistliche Musik. Dommuseum zu Salzburg 2006, S. 44. [↩]
- Vgl. Christoph Wolff: Mozarts Requiem. Kassel 1991, S. 41. [↩]
- Vgl. Ulrich Konrad: Wolfgang Amadé Mozart. Kassel 2005, 124ff. [↩]
- Vgl. Hochradner/Massenkeil. Laaber/Wien 2006. 128f. [↩]