Redoutentänze

Joseph Schütz: Maskenball im Redoutensaal der Wiener Hofburg um 1815, Radierung, koloriert © Wien Museum

Am 7.12.1788 war Wolfgang Amadé Mozart zum „k.k. Kammerkompositeur“ am Wiener Hof berufen worden, was ihm auch die Aufgabe zuteil werden ließ, für die Maskenbälle (oder auch Redoutenbälle) zur Faschingszeit Tänze zu komponieren. Denn schon seit Mitte des 18. Jahrhunderts wütete in Wien eine regelrechte Tanzwut, die sich bis in Mozarts Zeit als Kammerkompositeur hinein fortsetzte – für diese Zeit sind in Wien 30 Tanzlokalitäten nachweisbar.1 Mozarts Vater Leopold schrieb dazu: „so lange Fasching dauert, denkt man hier auf nichts als auf das tanzen. In allen Ecken ist ball“2.
Und tatsächlich war der Andrang bei den Veranstaltungen, die im Redoutensaal der Wiener Hofburg stattfanden, teils so groß, dass im Gedränge nicht mehr getanzt werden konnte. Besonders beliebt waren die Redoutenbälle durch die Tatsache, dass sie jedermann über alle Stände hinweg zugänglich waren. Es war also durchaus denkbar, dass „eine geringe Person die Ehre gehabt, mit einer Königlichen oder Fürstlichen Dame zu tantzen“3. Die vorgeschriebene Maskierung sorgte dabei dafür, dass Standesgrenzen nicht mehr erkennbar und damit quasi aufgehoben wurden. Weiter gefördert wurde dieser Aufbruch der Stände durch die neu aufgekommenen Tanzformen Kontretanz und Deutscher, die es aufgrund ihrer geringeren Komplexität auch weniger gut ausgebildeten Tänzern ermöglichten, an den Bällen teilzunehmen.4
Gerade die Maskierung beförderte aber auch die Angst der Herrschenden vor Ausschweifungen, so dass strenge Ballordnungen erlassen wurden, die unter anderem auch die Abfolge der Tänze regelte.

Mozarts Aufgabe als Kammerkompositeur war es also, Tänze für die reine Tanzpraxis zu komponieren, anders also, als in seiner Salzburger Zeit, in der er viele Menuette hauptsächlich als Übungsstücke für Tonsatz und Instrumentation komponierte. Seine Wiener Tänze sind im Gegensatz zu den Salnzburgern weniger experimentell, dafür aber geschickt und effektvoll instrumentiert: Sie zeugen von einem „Ideenreichtum, der sich innerhalb strenger Grenzen entfaltet“5.
Noch bis Mitte des 18. Jahrhunderts war es üblich gewesen, bei solchen Bällen Konzertmusiker über bekannte Melodien improvisieren zu lassen. Mozarts Aufgabe war es nun, durch seine speziell für den Anlass komponierte Tänze jeden Redoutenball zu etwas besonderem zu machen, was ihm durch geschickte Instrumentation und dem Spiel mit Klangfarben auch gelang. So nutze er zum Beispiel verschiedene Instrumentationen, um stereotype Wiederholungen des Themas, die eigentlich grundlegendes Prinzip von Tanzformen sind, zu variieren. Nichtsdestotrotz sind seine orchestralen Tanzkompositionen nicht so aufwendig wie seine symphonische Orchestermusik. So berichtet sein Biograph Nissen in einer Anekdote, „daß Mozart in weniger als einer halben Stunde mit vier Contretänzen für das große Orchester fertig war“6.

Zum Ende des 18. Jahrhunderts waren hauptsächlich drei Standardtanzformen beliebt, deren Reihenfolge für die Redoutenbälle durch die oben schon erwähnte Ballordnung geregelt wurde. Sie sah vor, dass zunächst eine Reihe von Menuetten getanzt wurden, denen dann mehrere Kontretänze folgten. Den Abschluss bildeten die Deutschen.7
Das Menuett war der vorherrschende Tanzstil des Barock und wurde hauptsächlich vom Adel praktiziert, da eine gute Tanzausbildung und viel Übung erforderlich waren. Es galt noch bis ins 19. Jahrhundert als Ideal tänzerischer Aktion und Virtuosität. „[D]er perfekt stilisierte Gang, der die absolute Kontrolle über Schritt und Körperhaltung demonstriert […] verlangt nicht nur Disziplin und Musikalität, […] er offenbart auch jeden Fehler, da keinerlei technische Tricks als Bluff zur Verfügung stehen“8. Mozart benutzte jedoch bei seinen Menuetten für die Redouten-Bälle – ganz im Zeichen der Zeit – auch Einflüsse des Deutschen. Auffälliges Beispiel hierfür ist ein Menuett für die Redoute von 1791 (KV 601), bei der im B-Teil ein eintaktiges kreisendes Motiv eingeführt wird, das typisch für den Deutschen ist.9
Bei den Kontretänze handelt es sich um Gruppentänze, die aus den englischen „country dances“ hervorgegangen sind. Durch seine Geradlinigkeit und Einfachheit war ein Kontretanz meist einfach zu erlernen, wodurch er allen gesellschaftlichen Schichten leicht zugänglich war. Außerdem ging es dabei nicht um eine perfekte Ausführung wie beim Menuett, sondern um „das Spiel abwechslungsreicher Figuren und um einen choreographisch stilisierten Partnertausch“10. Damit war es vor allem der Kontretanz, der die verschiedenen Gesellschaftsschichten zusammenführte.
Jedoch gibt es auch beim Kontretanz einfachere und anspruchsvollere Varianten: Bei der einfacheren Variante, der Anglaise, stehen sich mehrere Paare in Gassenform gegenüber, so dass man sich leicht nach links und rechts orientieren kann. Die anspruchsvolleren Francaisen wurden von vier Paaren in quadratischer Aufstellung getanzt und erforderten komplexere Choreographien, die im Voraus einstudiert werden mussten.
Ein weiteres Merkmal, das die Kontretänze so beliebt machte, waren die musikalischen Zitate bekannter Melodien. Mozart verwendete beispielweise im Kontretanz Der Sieg vom Helden Koburg (KV587) Melodien aus dem Marsch Les filles malicieuses. Darüber hinaus setzte er auch hier mit auffälligen Klangeffekten und für Tanzmusik ungewöhnlichen Instrumenten, wie beispielsweise Klarinetten und Pauken, eigene Akzente.11

Der Deutsche Tanz, der direkte Vorläufer des Walzers, stammte eigentlich aus den unteren Gesellschaftsschichten, hatte sich aber bis Ende des 18. Jahrhunderts schon längst auch in höheren Kreisen durchgesetzt. Für die Tanzmeister der damaligen Zeit bedeutete er den Verfall ihrer Kunst. Aber nicht nur seine Einfachheit mit simplen Grundschritt und einfachen Drehungen wurde kritisiert. Auch moralisch wurde der Deutsche wegen „de[s] engen Körperkontakts des erstmals zueinander gewendeten Tanzpaares wie auch der Schwindel erregenden Drehbewegungen“12 kritisiert.

  1. Vgl. Monika Woitas: Tänze und Märsche. In: Mozart Handbuch. Hrsg. von Silke Leopold. Kassel u.a. 2005, S. 613. []
  2. Brief vom 30.01.1768. Zit. nach: Das Mozart-Lexikon. Hrsg. von Gernot Gruber/Joachim Brügge. Laaber 2006, S. 826. []
  3. Woitas 2005, S. 613. []
  4. Vgl. Gruber/ Brügge (Hrsg.) 2006, S. 825. []
  5. Woitas 2005, S. 617. []
  6. Nissen (1984). Zit. nach Gruber/Brügge (Hrsg.) 2006, S. 825. []
  7. Vgl. Woitas 2005, S. 613. []
  8. Woitas 2005, S. 618. []
  9. Vgl. Woitas 2005, S. 620. []
  10. Woitas 2005, S. 611. []
  11. Vgl. Woitas 2005, S. 611, 621ff; Vgl. Gruber/Brügge (Hrsg.) 2006, S.825. []
  12. Woitas 2005, S. 624. []