Die letzten drei Sinfonien

Mozarts letzte Sinfonien Es-Dur KV 543, g-Moll KV 550 und C-Dur KV551 entstanden allesamt innerhalb nur weniger Wochen in den Sommermonaten Juni/Juli 1788.
Mitte Juni 1788 ist Mozart in die nordwestliche Vorstadt Alsergrund in die Währingstrasse 26 gezogen und diese Wohnung war der Entstehungsort dieser letzten Sinfonien. So schreibt er in einem Brief am 27. Juni 1788 an seinen Freund und Logenbruder, den Wiener Großkaufmann Michael Puchberg:

 „Kommen Sie doch zu mir und besuchen Sie mich; ich bin immer zu Hause; - ich habe in den 10 Tagen daß ich hier wohne mehr gearbeitet als in anderen Logis in 2 Monat, und kämen mir nicht so oft so schwarze Gedanken (die ich nur mit Gewalt ausschlagen muß) würde es mir noch besser von Statten gehen“1

Es ist schon fast unglaubwürdig, dass Mozart drei derartige Meisterwerke mit unterschiedlichem Charakter in so kurzer Zeit geschrieben hat. Diese Tatsache erscheint umso unerklärlicher, als man keine Informationen hat, ob es sich um Auftragskompositionen handelt, die die enorm kurze Kompositionszeit erklären könnten. Zu dem findet man auch keine Daten zu Aufführungen. Demnach bleiben also nur Vermutungen und Spekulationen, warum zu Mozarts Lebzeiten keine Aufführungen dokumentiert sind. Ein Grund wäre, dass es ab ca. Mitte der 1780er Jahre eine gewisse Differenz zwischen dem Wiener Publikum und Mozart gab. Er sprach wohl mit seinen späteren Instrumentalwerken nicht mehr das Publikum an, welches ihm als Virtuose Bewunderung entgegenbrachte.2
Eine geläufige Meinung ist, dass Mozart diese Sinfonien gar nicht mit der Absicht auf Aufführungen, sondern "einfach nur so" komponiert haben könnte. Für den Selbstzweck also. Erstaunlich ist aber doch, dass er die Sinfonien im Sommer komponierte und vielleicht erhoffte Mozart sich ja doch, dass er sie bei einer Academie im Winter 1789 zur Aufführung bringen könnte. Dies ist aber ebenfalls nicht dokumentiert und die Konzerte der Wintersaison 1789 finden sich nicht nachweisbar. Die Vermutung, Mozart habe die Sonfonie nie selbst dirigiert und gehört, hat die Forschung jedoch mittlerweile widerlegen können.3 In einem Brief berichtet der Prager Musiker Johann Wenzel (1762-1831) von einer Aufführung, die bei Baron van Swieten stattfand, bei der jedoch „er [Mozart] wärend der production aus dem Zimmer sich hat entfernen müssen, wie man Sie unrichtig aufgeführt hat“4.
Man könnte auch versuchen, mit der politischen Situation von 1787 zu argumentieren. Es herrschte gerade der russisch-türkische Krieg und demnach war die Auftragssituation zurückgegangen und es kam zu Theaterschließungen. Zudem hatte Mozart ab Dezember 1787 die Stelle eines Hofkompositors inne und komponierte daher viele Tänze.
Tatsache ist aber auch, dass bei einer späteren Akademie der Tonkünstler-Societät am 16. und 17. April 1791 eine Sinfonie von Mozart aufgeführt wurde, allerdings unter der Leitung Antonio Salieris! Vermutlich handelt es sich dabei um die g-Moll-Sinfonie KV 550. Im Autograph ist nämlich erkennbar, dass Mozart den Holzbläser-Satz veränderte, indem er Klarinetten dazu schrieb und die Oboenstimmen veränderte. Und das deutet schon sehr stark auf eine geplante Aufführung hin. Die Klarinetten spielten dabei Anton Stadler und sein Bruder. Ferner sind aber keine weiteren Aufführungen dokumentiert.
Betrachtet man die Tonarten Es-Dur, g-Moll, C-Dur, so fällt auf, dass es bei Haydn ebenfalls drei Sinfonien in denselben Tonarten gibt. Haydn hat im Dezember 1787 in Wien u.a. eine Sinfonien Serie  (op. 51) mit drei Sinfonien in den Tonarten C-Dur, g-Moll, Es-Dur geschrieben. Vielleicht wollte Mozart mit seinen Sinfonien darauf reagieren und seinen Freund Joseph Haydn damit ehren. Aber auch das ist nicht bewiesen und reine Spekulation.

Fest steht jedenfalls, dass die drei letzten Sinfonien individuelle Meisterwerke sind, mit je ihrem eigenen Charakter. Unterschiede finden sich z.B. in der Besetzung. So gibt es in der Es-Dur-Sinfonie keine Oboen, in der C-Dur-Sinfonie dagegen keine Klarinetten und in der g-Moll-Sinfonie fehlen die Trompeten und Pauken.5

Sinfonie Es-Dur KV 543 (Nr. 39)

Im 19. Jahrhundert erhielt die Es-Dur-Sinfonie den Namen Schwanengesang. Mit Schwanengesang meinte man in der alten Mythologie die letzte Äußerung eines Künstlers. Zu diesem Namen kam die Sinfonie vermutlich deshalb, weil sie in verschieden Ausgaben kammermusikalischer Besetzung als letztes Stück gedruckt war, im Gegensatz zur Reihenfolge der Kompositionen. Sie wurde als erste von der Trias geschrieben.6
Die Sinfonie beginnt mit einer langsamen Einleitung und lenkt so die Aufmerksamkeit des Zuhörers auf den folgenden, eigentlichen ersten Satz, das Allegro. Durch die geradtaktige Einleitung zum Allegro im Dreiertakt und piano erfolgt ein Umschwung, der somit einen Schwerpunkt auf den ersten Satz setzt.

Sinfonie g-Moll KV 550 (Nr. 40)

Die g-Moll-Sinfonie ist wohl die bekannteste und zusammen mit der Kleinen Nachtmusik das wahrscheinlich am häufigsten gespielte Instrumentalwerk. Bereits ab 1800 gibt es viele Bearbeitungen dieser Sinfonie, wie z.B. Kammermusikfassungen oder Rock- oder Popversionen aus unserer heutigen Zeit. Muzio Clementi z.B. verfasste eine konzertante Version für Klavier, Flöte, Violine und Violoncello.7
Die Besetzung der Sinfonie ist verhältnismäßig klein: Streicher, zwei Oboen, Fagotte, Hörner, eine Flöte. Im Vergleich zu den Sinfonien Es-Dur und C-Dur wirkt die g-Moll-Sinfonie empfindsamer und lieblicher. Man kann eigentlich von zwei Fassungen sprechen, denn Mozart hat später den Bläsersatz noch mit zwei Klarinetten ergänzt. Dieser Bläsersatz liegt der eigentlichen Partitur zusätzlich bei. In der Fassung mit Klarinetten wurden die Solo-Partien der Oboen von den Klarinetten übernommen, im Orchester-Tutti wurden auch die Oboen, Fagotte und die Flöte von den Klarinetten verdoppelt. Heute wird fast nur noch die Klarinettenfassung gespielt.8
Um die Sinfonie kurz zusammen zu fassen: Die einzelnen Sätze sind ebenbürtig und gleich gewichtet, haben also in etwa den gleichen und in jedem Satz verwendet Mozart polyphone Satztechniken. Die Sinfonie wirkt insgesamt leicht und graziös.9

Sinfonie C-Dur KV 551, „Jupiter Sinfonie“ (Nr. 41)

Die Jupiter Sinfonie ist Mozarts letzte Komposition in der Gattung Sinfonie. Und diese Tatsache allein lässt sie schon als etwas Besonderes erscheinen. Obwohl die g-Moll-Sinfonie vielleicht sogar der Allgemeinheit etwas geläufiger ist, so ist doch die Jupiter Sinfonie ein symphonisches Meisterwerk und man kann sie durchaus als Höhepunkt und gleichzeitig als krönenden Abschluss seines sinfonischen Schaffens beschreiben. Auf Grund des grandiosen Finales – einige nennen es sogar das beste Finale in der Gattung Sinfonie – erhielt die Sinfonie auch noch zusätzlich den Beinamen Sinfonie mit der Schlussfuge. Dieser Name ist heute allerdings nicht mehr so gebräuchlich.
Schon kurz nach Mozarts Tod begann eine Reihe von Aufführungen, was nicht zuletzt mit dem großen Finale zusammenhängt. Diese, aber auch die andern beiden letzten Sinfonien waren auch in London sehr beliebt. Das lässt wiederum vermuten, dass die Trias vielleicht doch für die 1788 geplante England-Reise gedacht war. In London jedenfalls wurde die Jupiter Sinfonie um 1810 als Partitur gedruckt und auch dort als Meisterwerk empfunden.
Zu ihrem Namen kam die Sinfonie durch den Londoner Konzerveranstalter Johann Peter Salomon. Er bezeichnete die Sinfonie im Jahre 1829 erstmalig so und schon bald war dieser Begriff allgemein geläufig.10

 

  1. Stefan Kunze: W.A. Mozart. Sinfonie G-Moll KV 550. München 1998, S. 12 f. []
  2. Vgl. Kunze 1998, S.14. []
  3. Vgl. Milada Jonášová: "Eine Aufführung der g-moll-Sinfonie KV 550 bei Baron van Swieten im Beisein Mozarts". In: Mozart Studien 20, 2011, S. 253-268. []
  4. Zit. nach: Jonášová 2011, S. 268. []
  5. Vgl. Volker Scherliess: Die drei Sinfonien des Jahres 1788. In: Mozart Handbuch. Hrsg. von Silke Leopold. Kassel 2005, S. 312-314. []
  6. Vgl. Scherliess 2005, S. 314. []
  7. Vgl. Volker Scherliess: Sinfonie g-Moll. In: Leopold 2005, S. 317. []
  8. Vgl. Kunze 1998, S. 16-19. []
  9. Vgl. Volker Scherliess: Sinfonie g-Moll. In: Leopold 2005, S. 317. []
  10. Vgl. Volker Scherliess: Sinfonie C-Dur. In: Leopold 2005, S. 320 f. []