Wohnung Nr. 2 – „Zum Auge Gottes“, Stadt 1226

Heute:  Milchgasse 1/ Tuchlauben 6

„ schreiben sie mir keinen brief mehr ins teutsche haus“

Nach seinem Bruch mit seinem bisherigen Dienstherrn, dem Salzburger Erzbischof, musste sich der Neu-Wiener Mozart eine neue Bleibe suchen. Er fand sie bei Bekannten aus Mannheimer Tagen:

 „ – vor 8 tägen kamm unverhoft der laufer herauf, und sagte ich müsste den Augenblick ausziehen; - den andern allen bestimmte man den Tag, nur mir nicht; -  ich machte also alles geschwind in den koffer zusamm, und – die alte Mad:me Weber war so gütig mir ihr haus zu offriren –  da habe ich mein hüpsches Zimmer; bin bey dienstfertigen leuten, die mir in allen, was man oft geschwind braucht, und - wenn man allein ist nicht haben kann - an die hand gehen.“1

Die Wohnung der Familie Weber lag im 2. Stock und war von Mai bis Ende August 1781 Mozarts Zuhause. Dies stellte sich als wahrer Glücksgriff heraus, denn Mozart hatte dort, wie er auch gegenüber seinem Vater nicht müde wurde zu erwähnen, die besten Voraussetzungen für seine Arbeit gefunden. Mal abgesehen von den zwei Flügeln, die ihm zur Verfügung standen, „einer zum galanterie spiellen, und der andere eine Machine. der durchgeendes mit der tiefen octav gestimmt ist, wie der den wir in London hatten. folglich wie eine orgel“,2 ermöglichte es ihm der Familienanschluss, seine Zeit nach seinem eigenen Rhythmus zu gestalten, ohne sich an die festen Essenszeiten anderer halten zu müssen, wie es z. B. im Deutschen Haus noch der Fall gewesen war.

„wann ich recht nothwendig zu schreiben hatte, so wartete man mit dem Essen so lange ich wollte, und ich konnte unangezogen fortschreiben, und dann nur zur andern thüre zum Essen hinein gehen. so wohl abends als Mittags. – izt, wenn ich nicht geld ausgeben will und mir nicht das Essen in mein zimmer bringen lassen will, verliere ich wenigstens eine Stunde mit dem anziehen - welches sonst nachmittag meine arbeit war - und muß ausgehen. – abends besonders. – sie wissen, daß ich mich gemeiniglich hungrig schreibe. –  die guten freunde, wo ich soupiren könnte, essen schon um 8 uhr oder längstens halbe 9 uhr. – da sind wir vor 10 uhr nicht zu tisch gegangen.“3

In dieser für ihn angenehmen Atmosphäre begann Wolfgang Amadé Mozart mit der Komposition des deutschen Singspiels Die Entführung aus dem Serail.

„was sie wegen den Weberischen schreiben, kann ich sie versichern, daß es nicht so ist“

Constanze Mozart, geb. Weber, 1782; Portrait von Joseph Lange (1751-1831)

Die Familie Weber bestand aus Cäcilia Weber und deren Töchtern Josepha, zu dieser Zeit 23 Jahre alt, Constanze, 19, und Sophie, 18. Die älteste Tochter Aloysia war seit einem halben Jahr mit dem Maler Joseph Lange verheiratet (der später Porträts der Eheleute Mozart anfertigte) und lebte nicht mehr in diesem Haus. Mozart hatte sich in Mannheim in sie verliebt, aber vergeblich um sie geworben. Diese Tatsache und die Kündigung beim Erzbischof ließen Leopold Mozart aufhorchen. Ihm gefiel die neuerliche Verbindung seines Sohnes zur Familie Weber nicht, da er, vermutlich zu Recht, in Sorge war, Cäcilia Weber wolle nur ihre Töchter verheiraten. Sofort verlangte er von seinem Sohn, die Kündigung beim Erzbischof zurückzunehmen und aus dem Haus auszuziehen.

Mozart jedoch wollte auf die gute, preiswerte und familiäre Umgebung zuerst nicht verzichten. Höchstwahrscheinlich spielte die zu dieser Zeit entstehende Liebe zu Constanze dabei auch eine  Rolle. Mozart erwähnte sie noch nicht mit Namen und leugnete vehement jegliche Geschichten über Heiratsabsichten, die offenbar bis Salzburg drangen. Um seinen Vater zu beruhigen, schilderte er sogar, wie schlecht eine Ehe für ihn wäre (Brief).  Erst im Dezember gestand er, dass er sich in Constanze verliebt hatte und sie heiraten wollte.4

Auf Druck seines Vaters und der Öffentlichkeit, aber auch um ein Leben mit Constanze vorzubereiten, suchte sich Mozart schließlich doch eine andere Bleibe.

 „Ich sage noch einmal daß ich schon längst im sinn gehabt ein anderes logis zu nehmen, und das nur wegen dem Geschwätze der leute; - und mir ist leid daß ich es, wegen einer albernen Plauderey woran kein wahres Wort ist, zu thun gezwungen bin.[…] Nun, da ist kein ander Mittel, ich muß, wenn es schon nicht wahr ist, wenigstens den schein vermeiden; - obwohl der schein auf nichts anders beruht, als – daß ich da wohne“5

  1. Brief vom 9. Mai 1781 aus Wilhelm A. Bauer/Otto Erich Deutsch (ges. und erl.): Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe; Hrsg. von der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg, Kassel u. a. 2005. Band III, S. 110. []
  2. Brief vom 27. Juni 1781, ebd. S. 135. []
  3. Brief vom 1. August 1781, ebd. S. 144. []
  4. Siehe Brief vom 15. Dez. 1781. []
  5. Brief vom 25. Juli 1781 aus Mozart-Briefe Bd. III, S. 140/141. []