Wohnung Nr. 12 – Die letzten Jahre

(Victor Chang www.mozartforum.com/photos_locations)

Rauhensteingasse Nr. 8

Mozarts letzte Wohnung befand sich in der Rauhensteingasse Nr. 970 (heute Nr. 8, "Kaufhaus Steffl"), unweit vom Stephansdom entfernt. Am 30. September 1790 zog er von seiner Wohnung auf dem Judenplatz Nr. 4, wo er zwei Jahre gewohnt hatte, in den ersten Stock des nach dem ersten Besitzer benannten „kleinen Kaiserhaus“. Während die Zeit in der Wohnung auf dem Judenplatz von finanziellen und gesundheitlichen Krisen geprägt war, begann nun eine Phase der Konsolidierung des Mozartschen Haushalts.

Die Krisenjahre 1788-1790

Nachdem Österreich 1787 in den russisch-türkischen Krieg involviert wurde, kam es im Land zu einer Inflation, wodurch die Nachfrage nach öffentlichen Konzerten in Wien abnahm. Einen Komponisten wie Mozart, dessen Einnahmen sich in großen Teilen aus solchen Akademien speisten, musste ein derartiger Wandel des Konzertwesens hart treffen. Dabei bekam er auf Geheiß des Kaisers Joseph II. noch im Dezember 1787 die Stelle als Hofkammermusiker, die immerhin mit einem Gehalt von 800 Gulden pro Jahr dotiert war und bis zu seinem Tod im Dezember 1791 eine stetige Einnahmequelle war.1
Doch im Juni 1788 beginnen Mozarts Briefe an seinen Logenbruder Michael Puchberg, in denen er ihn bis 1791 immer wieder um Darlehen bittet. Insgesamt werden es 1415 Gulden sein, die Mozart jedoch fast gänzlich bis zu seinem Tod zurückzahlen kann. Die genaue Ursache für die finanzielle Notlage im Sommer 1788 kann allerdings nicht objektiv ermittelt werden.
1789 verschlechtert sich die finanzielle Lage zunehmend. Konnte Mozart noch im Juni, nach seiner dreimonatigen Reise an den preußischen Hof in Potsdam und Berlin immerhin mit 700 Gulden in Wien wieder eintreffen, belastete die im Juli einsetzende Erkrankung Constanzes, die einen Kuraufenthalt in Baden bei Wien nach sich zog, den Haushalt. Desweiteren fanden sich außer Baron van Swieten keine Subskribenten für die geplanten Sommerakademien.
Erst im Winter diesen Jahres konnte Mozart auf eine neue Einnahmequelle hoffen, da er mit der Komposition der Oper La scuola degli amanti, später in Così fan tutte (KV 588)  umbenannt, wobei der ursprüngliche Titel nun als Untertitel erschien, beauftragt wurde. Der Uraufführung am 26. Januar 1790 folgten jedoch lediglich vier Aufführungen, da Joseph II. am 20. Februar verstarb. Der erhoffte Gewinn blieb also aus.
Mozart versuchte nun die Umstrukturierung am Hofe dazu zu nutzen, eine zweite Kapellmeisterstelle unter dem künftigen Kaiser Leopold II. zu erlangen, wobei er sich vor allem der geistlichen Musik widmen wollte. Davon zeugt der Entwurf eines Schreibens im Mai 1790 an Erzherzog Franz, den Sohn Leopolds.2 Allerdings blieb dieses Vorhaben erfolglos, die Aussicht auf zusätzliche Einnahmequellen zunächst getrübt.

Die Frankfurt-Reise und der Umzug in die Rauhensteingasse im Jahre 1790

Am 23. September 1790 machte sich Mozart zusammen mit seinem Schwager Franz de Paula Hofer auf den Weg nach Frankfurt am Main.3 Am 9. Oktober 1790 wurde Leopold II. dort zum Kaiser gekrönt. Ob Mozart, der nicht zu dem offiziellen Gefolge des Kaisers gehörte, diese Reise dazu nutzen wollte, um seinem Gesuch für eine zweite Kapellmeisterstelle zusätzliches Gewicht zu verleihen, kann nicht belegt werden. Auch über Mozarts Einschätzung der Reise kann wenig gesagt werden. Lediglich eine wohl eher ertragsarme Akademie vom 15. Oktober, am Vorabend seiner Rückreise, ist in einem Brief an seine Frau dokumentiert.

Während seines Aufenthalts in Frankfurt zieht Constanze mit Sohn Karl am 30. September vom Judenplatz Nr. 4 in die Rauhensteingasse Nr. 970 um.4
Die Wohnung befand sich im ersten Stock. Sie war etwa 145 m2 groß5 und bestand aus vier Zimmern.6 Im Nachlass, der wenige Tage nach Mozarts Tod angefertigt wurde, wird außerdem aufgeführt, dass in einem der Zimmer ein Billardtisch, in einem anderen ein Fortepiano stand. Zusammen mit anderen Einrichtungsgegenständen und Besitztümern, die dort aufgelistet sind, lässt das Eigentum Mozarts zum Zeitpunkt seines Todes eher auf einigen Wohlstand schließen.
Über die Freude des Wiedersehens und die Hoffnung auf einen Wandel der Lebensumstände durch den Umzug schreibt Mozart in einem Brief an Constanze am 28. September:

„Ich warte mit Sehnsucht auf Nachricht von Dir, von deiner Gesundheit, von unseren Umständen etc. - nun bin ich fest entschlossen meine Sachen hier so gut als möglich zu machen, und freue mich dann herzlich wieder zu dir. - welch herrliches Leben wollen wir führen - ich will arbeiten - so arbeiten - um damit ich durch unvermuthete [sic] Zufälle nicht wieder in so eine fatale Lage komme […]“7

Es erscheint plausibel, dass Mozart sich mit dem Ausdruck „fatale Lage“ auf die Krisenjahre seit 1788 bezieht und nun hofft, einer ihm wohlgesinnteren Zukunft entgegen sehen zu können.

Die Überwindung der Krise und das letzte Jahr 1791

Victor Chang www.mozartforum.com

Tatsächlich verbesserte sich Mozarts finanzielle Lage seit seiner Wiederkehr nach Wien am 10. November 1790. Ab diesem Zeitpunkt häuften sich wieder die kompositorischen Aufträge, die Mozart zu bewältigen hatte und die ihm seinen Lebensunterhalt in der neuen Wohnung in der Rauhensteingasse sicherten.
Als erstes kam ein Angebot aus England, um in London zwei Opern zu komponieren, sowie mehrere Konzerte zu geben. Aus welchen Gründen Mozart dieses Angebot nie annahm, ist nicht klar.
Desweiteren fanden im Winter 1790/91 höchst wahrscheinlich wieder mehrere Akademien zum Benefiz von Mozart statt; belegbar sind diese Konzerte allerdings nicht.8
Im April 1791 begann er mit der Komposition der Zauberflöte, KV 620, die bis Juli nahezu fertiggestellt war, deren Uraufführung jedoch erst am 30. September stattfand.
Ende Juli wurde er mit der Komposition der Oper La clemenza di Tito, KV 621 beauftragt, die zur Krönung Kaiser Leopolds II. zum König von Böhmen am 6. September in Prag uraufgeführt wurde.
In dieser Zeit kam es schließlich auch zu dem mythenumwobenen Kompositionsauftrag des Requiems, KV 626, Mozarts letzter, unvollständig gebliebener Komposition. Mittlerweile ist man sich über die Identität des geheimnisvollen Auftragsgebers recht sicher. Graf Franz Walsegg soll diesen Auftrag, aus Anlass des Todes seiner Frau im Februar, an Mozart übermittelt haben. Möglicherweise hat auch Michael Puchberg, der mit dem Grafen verkehrte, Mozart als Komponisten vorgeschlagen, um seinen Schuldner wieder an Einnahmen kommen zu lassen.9
Begonnen hat Mozart die Komposition aber wahrscheinlich erst im Oktober, also nach den Premieren von La clemenza in Prag und der Zauberflöte im "Theater auf der Wieden", sowie der Fertigstellung des Klarinettenkonzerts, KV 622 für Anton Stadler. Die Freimaurerkantate KV 623 ist Mozarts letztes vollendetes Werk. Um den 20. November wurde Mozart bettlägerig; der Zeitpunkt, ab dem Mozart keine Note mehr schrieb. Er verstarb am 5. Dezember in der Rauhensteingasse Nr. 970.

 

  1. Vgl. Ulrich Konrad: Wolfgang Amadé Mozart. Kassel 2005a, S. 112. []
  2. Vgl. Mozart. Briefe und Aufzeichnung. Gesamtausgabe, Bd. 4. Hrsg. von Ulrich Konrad. Kassel 2005b, S. 107. []
  3. Vgl. Otto Erich Deutsch: Mozart. Die Dokumente seines Lebens. Leipzig 1961, S. 326. []
  4. Vgl. Deutsch 1961, S. 327. []
  5. Vgl. Volkmar Braunbehrens: Mozart in Wien. München 1986, Neuausgabe 1988, S. 133. []
  6. Vgl. Braunbehrens spricht sogar von sechs Zimmern. Vgl. Braunbehrens 1988, S. 132. Im Nachlass werden allerdings nur vier erwähnt. Vgl. Deutsch 1961, S. 493-496. []
  7. Konrad (Hrsg.) 2005b, S. 113. []
  8. Vgl. Konrad 2005a, S. 124. []
  9. Vgl. Konrad 2005a, S. 126. []