Freihaustheater

Das "Freihaustheater" oder das "Theater auf der Wieden" war von 1787 bis 1801 ein Theater in der Wiener Vorstadt Wieden, das seine Bekanntheit vor allem der Uraufführung von Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ verdankt. Das Theaterhaus befand sich im Komplex des sogenannten Freihauses, daher möchten wir die Leserin oder den Leser erst mit der Geschichte des Freihauses vertraut machen, bevor wir unmittelbar zur Geschichte des "Theaters auf der Wieden" übergehen.

Das Freihaus

Das Freihaus, Außenansicht

Am 12. Juni 1643 bekommt Graf Conrad Balthasar von Starhemberg vom Kaiser Ferdinand III. ein Stück Land in der Vorstadt Wieden als Lehen. Für dieses zahlte Starhemberg vier Jahre lang 1000 Gulden an den Hof und bekam daraufhin eine Urkunde, die der Familie Starhemberg immerwährende Befreiung von allen Grundsteuern garantierte. Auf dem Grundstück ließ der Graf zwischen den Jahren 1785 und 1793 einen für damalige Verhältnisse riesigen Wohn- und Gewerbekomplex errichten, das sogenannte Freihaus. Neben bescheidenen Mietwohnungen, die teilweise nur aus einem Wohnzimmer und einer Küche bestanden, gedacht für die Vertreter des Mittelstandes und der Arbeiterklasse, beherbergte das Freihaus auch größere Wohnungen für die besser situierte Bevölkerungsschicht, sowie Räume für Handwerker, Händler, Beamte und Künstler. Im Erdgeschoss gab es zahlreiche Geschäfte und Betriebe, Gaststätten, eine Kapelle und ein Theater. Infolge der Revolution kam es im Jahre 1848 zur Aufhebung der Steuerbefreiung für die Familie Starhemberg, was dazu führte, dass das Haus mitsamt dem Grundstück im Nachhinein verkauft wurde. Im Jahre 1913 begann man mit der Teildemolierung des Komplexes und der Neubebauung des Areals. Das Projekt wurde allerdings wegen des 1. Weltkrieges unterbrochen und erst in der Zeit zwischen 1935 und 1937 wieder aufgenommen und weitergeführt. Im Jahre 1956 wird der Rest des Freihauses vom Stadtbauamt Wien zum Abriss freigegeben. Die endgültige Demolierung nimmt in 1970ern ihr Ende.

Das Freihaustheater

Das Freihaus, Grundriss

Als Gründer des Freihaustheaters gilt der Wandertruppenprinzipal und Schauspieler Christian Roßbach. Am 20. Februar 1787 reichte Roßbach ein Gesuch zum Bau eines Theaters bei der österreichischen Landesregierung ein. Nach der Einwilligung des Fürsten Georg Adam von Starhemberg, des damaligen Kaiserlichen Obersthofmeisters, durfte Roßbach am 16. März 1787 mit dem Bau des Theaterhauses innerhalb des Freihauskomlexes beginnen (die Fläche, auf der das Theater gebaut wurde, befindet sich heute zwischen Häusern Operngasse 32 und 33). Die Pläne stammten vom Landschaftsarchitekten Andreas Zach. Schon nach sechs Monaten Bauzeit wurde das Theater am 7. Oktober 1787 eröffnet.
Das Gebäude mit einer Grundfläche von 30 x 15 Metern bestand aus gemauerten Wänden gedeckt mit einem Schrägdach, die Innenausstattung war recht bescheiden und bestand aus Holz. Die 12m-tiefe Bühne, die fast die Hälfte des Innenraumes einnahm, war dagegen von vornherein für opulente Szenarien konzipiert. Die Parkettsitze bestanden nur aus hölzernen Bänken. Insgesamt bot der Raum 600 Zuschauern Platz.
Roßbach bevorzugte üppig inszenierte Stücke, die Spielplanstruktur bestand zu seiner Zeit aus einem Lustspiel mit Arien, einem Singspiel sowie einer Pantomime mit bühnentechnischen Verwandlungen und vielen Lichteffekten. Man braucht nicht zu sagen, dass solche bunten Veranstaltungen dem Theater schnell große Beliebtheit beim breiten Publikum brachten.
Die finanziellen Schwierigkeiten zwangen Roßbach das Theater allerdings schon im Jahre 1788 zu verlassen. Der neue Prinzipal wurde Johann Friedel. Es besteht eine weit verbreitete Meinung in der Literatur, dass Friedel nicht alleine das Haus leitete, sondern zusammen mit seiner angeblichen Geliebten Eleonore Schikaneder, die zu dem Zeitpunkt getrennt von ihrem Mann Emanuel Schikaneder lebte. Gleich nach der Annahme seiner Stelle als Prinzipal ließ Friedel das Parterre des Theaters um weitere Plätze erweitern, es handelte sich dabei vor allem um Stehplätze. Nach dem Umbau fasste das Theater etwa 800 Zuschauer. Unter Friedel wurden viele Sing- und Lustspiele, Ritter- und Kasperlstücke aufgeführt, jedoch fast keine Opern. Am 31. März 1789 starb Friedel im Alter von nur 38 Jahren an Lungenschwindsucht.

1 Wiener Klafter = 1,9 Meter

Das Freihaustheater nach Schikaneders Umbau, 1789

Im April 1789 kehrt Emanuel Schikaneder wohl wegen einer neuen Liebesaffäre aus Regensburg, wo er zwei Jahre zuvor als Direktor derRegensburger Hofbühne verbracht hatte, nach Wien zurück. Eleonore Schikaneder, in finanzielle Schwierigkeiten nach Friedels Tod geraten, wendet sich an ihren Ehemann Emanuel mit dem Angebot, die Leitung des Freihaustheaters zu übernehmen, was er auch schon Anfang Juni 1789 tut. Auf diese Weise fängt die neue Ära des Freihaustheaters gezeichnet von großen Erfolgen und weitreichender Berühmtheit an.
Gleich nach dem Besetzen der neuen Stelle fängt Schikaneder mit dem inneren Umbau des Theaterhauses an, wobei die Umbaupläne wieder von Andreas Zach gezeichnet wurden. Nach dem Umbau behielt die Bühne ihre Tiefe von 12 Metern, der Orchestergraben wurde von 1,5 Meter auf 2,5 Meter in der horizontalen Tiefe vergrößert. Das Parterre Noble hat man um 2 Meter verlängert, die Anzahl der Bänke von 5 auf 6 erhöht. Im zweiten Parterre blieben von 14 Bänken nur 10 erhalten, ihre Länge wurde aber vergrößert, sodass mehr Gäste sich darauf hinsetzen konnten. Die Kapazität des Theaters betrug ca. 800 Gäste.
In den Jahren 1790 und 1794 wird das Theaterhaus weiterhin umgebaut: eine neue dritte Galerie wird aufgesetzt, Sperrsitze im ersten Parterre und auf der ersten Galerie und zwei neue Eingänge eingerichtet. Nach den Umbaumaßnahmen umfasste das Theater nun beinahe 1000 Zuschauer. Ab dem Herbst des Jahres 1790 hieß das Freihaustheater offiziell „Kaiserl. königl. Priviligiertes Wiedner Theater“.

Nicht nur das Gebäude erfuhr Modernisierung, auch die Qualität der musikalischen Aufführungen wurde unter Leitung Schikaneders enorm gehoben. So wechselten viele Musiker aus dem Kärntnertortheater, das im Jahre 1788 geschlossen worden war, zum Wiedner Theater. Außerdem stellte Schikaneder zwei virtuose Sänger ein, Franz Xaver Gerl, der später der erste Sarastro wird, und Benedikt Schack, der erste Tamino. Hinzu wird ein junger Pianist Johann Baptist Hanneberg als Kapellmeister engagiert. Alle drei Musiker waren nicht nur talentierte Interpreten, sondern komponierten auch selbst. Sie wurden schnell zu Hauskomponisten und haben zu vielen Stücken Musik geschrieben, die dann im Theater (ur-)aufgeführt wurden. Die meisten Texte der Stücke und Opern stammten von Schikaneder selbst, seiner Frau Eleonore und Karl Ludwig Giesecke. In den 14 Jahren des Bestehens des Freihaustheaters wurden ca. 350 Premieren herausgebracht, darunter Uraufführungen und Erstaufführungen. Die Inhalte der Stücke wurden nicht für das gebildete adlige und bürgerliche Publikum ausgelegt, sondern richteten sich primär an das einfache Volk.
Wohl das bekannteste Stück, das im Freihaustheater uraufgeführt wurde, ist die Mozartsche Oper Die Zauberflöte, für die Schikaneder selbst den Text verfasste. Seit der Premiere am 30. September 1791 wurde die Oper ganze 269 Male im Wiedner Theater gespielt und war dementsprechend die erfolgreichste Produktion in der Geschichte des Hauses. Den zweiten Platz mit insgesamt 118 Aufführungen belegt die komische Oper Der Tiroler Wastel von Jacob Haibel und den dritten Platz mit 98 Vorstellungen die Oper Der Spiegel von Arkadien von Franz Xaver Süßmayr. Auch für diese Opern trat Schikaneder höchstpersönlich als Librettist auf.

Leider musste das Freihaustheater im Jahre 1801 geschlossen werden, der Grund dafür war trivial: der Publikumsdrang wurde dem Fürsten Georg Adam von Starhemberg zu groß, viele Mieter beschwerten sich über die ständige Störung der Nachtruhe durch das Publikum nach dem Vorstellungsende. Außerdem befürchtete der Fürst, dass die aufwendigen pyrotechnischen Effekte irgendwann zum Ausbruch eines Großbrandes führen würden. Deshalb wurde der Mietvertrag mit Schikaneder seitens Starhembergs nicht verlängert. Das zwang Schikaneder ein neues Theaterhaus am anderen Ufer der Wien zu errichten, das sogenannte „Theater an der Wien“. Mit der Aufführung der Oper Torben oder Der schwedische Fischer (Musik von Antonio Bartolomeo Bruni) und dem Epilog namens Thepsis von Schikaneder, den er auch selbst vortrug, gingen am 12. Juni 1801 fast 14 Jahre bunten Theaterlebens im Freihaus zu Ende. Der tüchtige Fürst von Starhemberg ließ das Theaterhaus direkt nach dem Abzug Schikaneders räumen und in Wohnungen umbauen.

 

Literatur:

Tadeusz Krzeszowiak: Das Freihaustheater in Wien 1787-1801. In: Prospect. Magazin der OETHG für Bühnen- und Veranstaltungstechnik. Wien 2009.

Michael Lorenz: Neue Forschungsergebnisse zum Theater auf der Wieden und Emanuel Schikaneder. In: Wiener Geschichtsblätter 4, 2008.

David J. Buch: The House Composers of the Theater auf der Wieden in the Time of Mozart (1789-91). Auf: http://www.biu.ac.il/hu/mu/min-ad/06-2/2_House_Comp14-18.pdf).