Die Wiener Salons

Ein für Mozart, wie auch für die vielen zeitgenössischen Musiker und Komponisten in Wien  unter ihnen auch Haydn, nachdem er seine Festanstellung bei Fürst Esterházy aufgegeben hatte  bedeutende Institution war die des Salons. Dieser etablierte sich nach seinen Anfängen in Frankreich und England im deutschsprachigen Europa erst mit einiger Verspätung. Für die Wiener Salons war kennzeichnend, dass sie sich von ihren Vorbildern in Paris durch das Fehlen einer politischen Bedeutung unterschieden und eher auf Austausch in kulturellen Belangen beschränkt blieben; Ziel war weniger kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen, sondern mehr Unterhaltung und Zerstreuung auf gehobenem Niveau.
Bedeutsam ist aber, dass sich hier eine Abkehr von ständischer Abgrenzung zwischen Adel und Volk widerspiegelte: "Nirgendwo sonst waren die Standesunterschiede so aufgehoben, fand eine so ungezwungene Vermischung aller Schichten statt."1 Salons befanden sich gleichermaßen in den Palais adliger, wie entsprechend finanzkräftiger bürgerlicher Familien (was auch symptomatisch für die generelle Veränderung der wirtschaftlichen Basis der Musiker ist: Die Abhängigkeit vom Patronat eines einzelnen Fürsten wich mehr und mehr der unverbindlicheren Unterstützung durch verschiedene Gönner, gleich ob aristokratisch oder bürgerlich).

Insofern waren die Salons ein wichtiger Begegnungsort, wo am Rande des kulturellen Programms Kontakte über die Schranken der Standesgrenzen hinweg geknüpft, Interessenten für Subskriptionskonzerte gewonnen, weitere Gönner gefunden oder Aufträge ergattert werden konnte. So zeigte sich Mozart höchst verärgert, als er in seiner Anfangszeit in Wien durch anderweitige Verpflichtungen die Gelegenheit verpasste, bei der Gräfin Thun dem Kaiser zu begegnen.2

Finanziell betrachtet konnten Aufführungen bei solchen Gelegenheiten allerdings kein regelmäßiges Einkommen garantieren.3 Die in den Salons spielenden Musiker wurden entsprechend der Laune der Gäste und des Gastgebers entlohnt, so entgingen Mozart zwar bei der oben erwähnten Einladung 50 Gulden, die der Kaiser den Teilnehmenden zukommen ließ, oft bestand der Lohn aber auch nur aus einem mehr oder weniger wertvollen Geschenk wie einer Uhr. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, waren Salonmusiken also keine verlässlichen Einnahmequellen, aber dafür essentiell, um mittelbar zur Etablierung als Musiker in Wien beizutragen.

Da es sich bei solchen Konzerten um private und oft auch spontane Veranstaltungen handelte, sind die Anhaltspunkte bezüglich dort aufgeführter Werke Mozarts rar. Vielleicht hat das Musizieren in Salons aber eine wichtige Rolle im Entstehungsprozess seiner Kompositionen gespielt  so ist als eine der wenigen konkreten Informationen überliefert, dass der schon erwähnten Gräfin von Thun die gerade erst neu komponierten Akte der Entführung aus dem Serail von Mozart vorgespielt wurden. Die Wiener Salons könnten also insofern für Mozarts Werke bedeutsam gewesen sein, als er hier auch neue Ideen und Kompositionen in intimem und fachkundigem Rahmen vorstellen und sich die Meinung der Zuhörer einholen konnte, bevor ein Stück fertiggestellt und der breiten Öffentlichkeit präsentiert wurde.

 

 

  1. Volkmar Braunbehrens: Mozart in Wien. München 1986, Neuausgabe München 1988, S. 163. []
  2. Vgl. Braunbehrens 1986, S. 164. []
  3. Vgl. Julia Moore: Mozart in the Market-Place. In: Journal of the Royal Musical Association 114, 1989, S. 22. []