Das “Zauberflöten-Häuschen” – Legende und Fakten

Über Mozarts Leben ranken sich einige Mythen und Legenden - eine davon handelt vom sogenannten "Zauberflöten-Häuschen".

Die "historische Aufgabe" eines Bretterhäuschens

Vorweg sei gesagt: das "Lusthäuschen" selbst existiert wahrhaftig - sogar heute noch.
Zu Mozarts Lebzeiten stand es im Ziergarten des großen Hofes auf dem Gesamtkomplex des "Freihaustheaters".1
Angeblich soll Mozart in diesem Pavillon Teile der Zauberflöte komponiert und ihn auch für Proben für sein letztes Bühnenwerk benutzt haben.2 Dies erscheint durchaus realistisch, da dort kleine Instrumente, zum Beispiel ein Clavichord oder ein Spinett, zur Begleitung der Sänger Platz gefunden hätten.3
Ob Emanuel Schikaneder Mozart damals wirklich in das Häuschen eingesperrt hat, um die rechtzeitige Fertigstellung der Zauberflöte zu sichern, ist mit stichhalten Quellen leider nicht belegt und bleibt daher mehr Legende als Fakt.

Das "Schicksal" eines Holzhäuschens: von Besucherströmen, Ehrungen, Diebstählen, Fragmentierungen und Reisen bis zur 3. Geburtstagsfeier.4

In der Geschichte gibt es wohl bis jetzt noch kein anderes kleines Gartenhäuschen, dem ein vergleichbares Schicksal zuteilwurde.
Nach dem Tode Mozarts am 5. Dezember 1791 geriet das Häuschen, das seine "historische Aufgabe" mit der Uraufführung der Zauberflöte am 30. September 1791 erfüllt hatte, in Vergessenheit. Erst 1806 nahm Fürst Georg Adam Starhemberg, der Eigentümer des Freihauses, sich des Häuschens an und verfügte die Wiederherstellung des Innenraumes. Zudem ließ er eine Gedenktafel am Dachrand mit folgendem Text anbringen:

"Dem Andenken an den großen deutschen Tonkünstler Wolfgang Amadeus Mozart,
geb. in Salzburg, 27. Jänner 1756, gest. in Wien, 5. Dezember 1791, der hier die Oper ‛Zauberflöte‛ komponierte, gewidmet."

© Internationale Stiftung MozarteumDurch die Beschreibung eines Anonymus P.B.R. sind der Nachwelt einige Fakten zur Beschaffenheit, Aussehen und Inventars des "Zauberflöten-Häuschens" überliefert. Demnach hatte der aus Fichtenholz bestehende Pavillon außen einen rotbraunen Anstrich und die Innenwände waren von dunkler, silbergrauer Farbe. Im Häuschen befanden sich ein gelb poliertes Kanapee, ein viereckiger Tisch und zwei massive, mit niedrigen Lehnen versehende Rundstühle. An den Wänden hingen zwei Kupferstiche, auf denen Mozart und Schikaneder abgebildet waren, welche jedoch später von einem Dieb entwendet wurden.
Einige Jahre war das Häuschen wohl als Vermietobjekt genutzt worden, bis sich 1873 Fürst Camillo Heinrich für den Verkauf des gesamten "Freihaus auf der Wieden" an die Franco-Bank entschloss, mit Ausnahme des "Zauberflöten-Häuschens". Dieses wollte er nämlich im Park seines Schlosses zu Eferding in Oberösterreich aufstellen. An dieser Stelle trat Carl Freiherr von Sterneck, der damalige Präsident der "Internationalen Mozartstiftung", mit der Bitte an den Fürsten heran, das Häuschen doch der Stiftung zu überlassen. Am 6. Juni 1873 wurde diese Bitte mit einem Schreiben des Fürsten erfüllt, welcher lediglich die Einrichtungsgegenstände des Häuschens in seinem Besitz behielt. Für die fachgerechte Zerlegung und den Abbruch des Bretterhäuschens sorgten unter anderem der Architekt Rudolf Bayer und Tischlermeister Hamann.
Am 20. August 1873 verließ dann, unter den umsorgenden Augen des Präsidenten persönlich, das "Zauberflöten-Häuschen" Wien und trat seine Reise nach Salzburg an. Der erste Aufstellungsort im "Zwergelgarten" des Schloss Mirabells erwies sich jedoch als ungeeignet, da die Besucher wenig respektvoll mit dem Pavillon umgingen und es im Volksmund sogar den Namen "Bockhütten" bekam. Der Holzbau wurde deshalb ein weiteres Mal auseinander genommen und fand im April 1875 im zerlegten Zustand im sogenannten "Prälatenstall" des Klosters Mülln ein Refugium. Nur vier Monate später gelangte es dann in die Riedenburg, wo sich Franz Gessele, ein Ausschussmitglied der "Mozart-Stiftung", darum kümmerte.
Am 23. April 1877 traf der Ausschuss eine Entscheidung über das weitere Schicksal des "Zauberflöten-Häuschens", welche mit der feierlichen Eröffnung auf dem Kapuzinerberg am 18. Juli 1877 besiegelt wurde. Zur Eröffnung ließ Fürst Camillo Heinrich von Starhemberg die originalen Möbel wie den Tisch und die Lehnstühle extra von Eferding nach Salzburg bringen. Nach dem Fest wurden, mit der Erlaubnis des Fürsten, Nachbildungen dieser Möbelstücke durch den Salzburger Tischler Ripper angefertigt, die fortan anstelle der Originale das Häuschen "bewohnten". Seit dem Eröffnungstag ergossen sich daraufhin riesige Besucherströme über den hölzernen Pavillon, der die Vielzahl an Huldigungen, Widmungen und Kränzen, die in seinem Inneren abgelegt wurden, kaum noch fassen konnte.
Doch nicht nur der der große Besucherandrang stellte eine Belastung dar. Die längst morschen Fichtenholzbretter waren dem Wetter schutzlos ausgeliefert, sodass Sturm und der schwere Schnee im Winter dem Häuschen sehr zusetzen. Daraufhin wurden viele Vorschläge zum Bau einer Schutzumhüllung eingeholt. Der wohl gewagteste Entwurf  bestand darin, einen massiven ägyptischen Tempel zu bauen, in dessen Inneren das "Zauberflöten-Häuschen" Platz finden sollte. Da keine endgültige Entscheidung getroffen wurde, dienten dem Schutz am Ende lediglich ein paar Bretterverschläge, die man im Herbst auf dem Schindeldach befestigte.
Schließlich brach der erste Weltkrieg aus und auch das Häuschen blieb dabei nicht verschont.  Unter der fachkundigen Beaufsichtigung des Kuratoriums der "Internationalen Stiftung Mozarteum" erfuhr das Holzhaus eine gründliche Rundumerneuerung.
Mit der feierlichen Wiederöffnung am 14. Juni 1925 erlebte das frisch herausgeputzte "Zauberflöten-Häuschen" seinen zweiten Geburtstag. Doch auch dieser Zustand sollte nicht lange währen. Als 1939 während des zweiten Weltkrieges die Bomben über Salzburg fielen, trug auch das Häuschen schweren Schaden davon. Vor allem das Dach hatte stark gelitten und viele Einrichtungsgegenstände waren durch die Feuchtigkeit, die die morschen Bretter ins Innere haben dringen lassen, unrettbar ruiniert worden.
Doch nicht nur der Krieg und das Wetter zehrten an dem Bestand des Pavillons, denn es gab auch einige Besucher, die sich als Andenken kleinere Holzstücke aus dem ungeschützten Häuschen schnitten.
Es war also nun mehr als an der Zeit, den Zerfall des Andenkens zu verhindern und sich um einen sicheren Platz zu kümmern. Erneut wurde das Häuschen auseinandergenommen und fachmännisch restauriert. Für die harte Winterzeit fertige man zudem ein Schutzdach an. Somit beging das "Zauberflöten-Häuschen" im Mai 1950 mit der Wiedereröffnung im Bastionsgarten, welcher nur von den Konzertsälen des Mozarteums in Salzburg aus zugänglich ist, seinen dritten Geburtstag.

Abschließen möchte ich diesen Artikel mit einem Zitat aus dem Büchlein "Die Chronik des Zauberflötenhäuschens" von Hans Schurich, dessen Worte nicht besser und treffender hätten gewählt werden können:

"Gedanken wie Gestalten in symbolhafter Durchdringung ihrer eigenen Lebensbezirke, Widerschein ihrer Lust und geheimsten Sehnsucht, sie alle sammeln und verdichten sich in einer kleinen, schindelgedeckten Bretterhütte inmitten der sechs offenen Höfe des "Freihauses auf der Wieden", das Mozart von Schikaneder zur Arbeit an der "Zauberflöte" gleichsam als Refugium "zugewiesen" erhält.
Im Zauberkreis des in diesem luftigen Domizil entstandenen Werkes erhält das Häuschen selbst Symbolkraft. Geviert sich die geheimnisvolle Wandlung von Geist zu Materie vollzog, es wird zum Weisheitstempel selbst, ehrwürdig durch die geheiligte Kraft des in ihm Vollendeten und rührend in der Schlichtheit seiner Erscheinung.
Wo immer es stehen mag, es erfüllt seine Umwelt mit jener Weihe, die - Ausdruck trauender Sehnsucht nach dem lebendigen Geist -, Wesen jeglicher Reliquie ist."

 

Danksagung:

Ich möchte mich sehr herzlich für die hilfreiche und freundliche Unterstützung bei meiner Recherche zum Thema "Zauberflöten-Häuschen" bei der "Internationalen Stiftung Mozarteum", insbesondere bei Herrn Dr. Armin Brinzing und Frau Dr. Sabine Greger-Amanshauser, bedanken.

 

  1. Vgl. Howard C. Robbins Landon: Siebzehnhunderteinundneunzig, Mozarts letztes Jahr. Düsseldorf 1991, S. 169. []
  2. Vgl. Landon 1991, S. 170. []
  3. Vgl. Landon 1991, S. 170. []
  4. Der gesamte Abschnitt "Das Leben danach" ist zu vgl. mit Hans Schurich: Kleine Chronik des Zauberflöten-Häuschens. Salzburg 1953, o.S. []