Duettpartnerin und Kollegin: Marianna Martines

Marianna Martines, Gemälde von Anton Maron, 1770er Jahre (Wien Museum)

Als eine der wenigen bekannten Komponistinnen der Wiener Klassik ist Marianna Martines sicher ohnehin eine betrachtenswerte Persönlichkeit, doch gerade in diesem Kontext liefert die Beschäftigung mit der Zeitgenossin Mozarts interessante Einblicke in die Zusammenhänge des musikalischen Lebens zwischen Bürgertum, Aristokratie und Hof im Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

Das Wissen über Marianna Martines verdanken wir im Wesentlichen Irving Godt, der sich intensiv mit ihrem Leben und Werk befasste. Laut seiner Biographie1 kam Marianna Martines 1744 zur Welt. Ihr Vater war Nicolo Martines, gebürtiger Neapolitaner mit spanischen Wurzeln, der vermutlich 1730 nach Wien kam und dort den Posten des Zeremonienmeisters der päpstlichen Nuntiatur innehatte.2
Die Familie residierte im Alten Michaelerhaus am Wiener Kohlmarkt, wo sie sich die dritte Etage mit Pietro Metastasio, einem der bedeutendsten Opernlibrettisten seiner Zeit, teilte. Metastasio war es auch, der Marianna Martines' musikalisches Talent früh erkannte und förderte. Besonders nach dem frühen Tod des Vaters 1764 spielte er als väterlicher Freund eine wichtige Rolle in ihrem Leben.3 Man darf davon ausgehen, dass durch seine Kontakte die Musiker Wiens als häufige Gäste im Haus verkehrten – und auch der junge Joseph Haydn, der für kurze Zeit dort wohnte, war Martines' Lehrer.
Ihr älterer Bruder Joseph wiederum, der als Mitarbeiter der von Baron van Swieten geführten Hofbibliothek schnell in der Wiener Gesellschaft aufstieg und auch den späteren Kaiser Joseph II. unterrichtete, verschaffte der Familie Zugang zu höfischen Kreisen und der kaiserlichen Familie selbst. Wohl als Anerkennung für seine Leistungen wurde die Familie in den Ritterstand erhoben, so dass Marianna sich ab 1774 "von Martines" nennen durfte.4 Auch hier zeigt sich die zunehmende Verwischung der Standesgrenzen, der Aufstieg des Bürgertums und seine Bedeutungszunahme im Kulturbereich. Spätestens in den 1780er Jahren ist Marianna Martines ein anerkanntes und geachtetes Mitglied des Wiener Musiklebens. Zwar war es für eine Frau nicht statthaft, öffentlich als Musikerin aufzutreten, doch veranstaltete sie im Alten Michaelerhaus und, nach dem Tod Metastasios 1782, in der Wohnung ihres Bruders Karl von Martines5 in der Herrengasse eigene Akademien, die sich großer allgemeiner Beliebtheit erfreuten. Sie spielte Klavier, sang und trat mit zahlreichen eigenen instrumental- und vokalmusikalischen Kompositionen hervor.6
Vermutlich kam Mozart bereits während seines ersten Wienaufenthaltes 1767-1769 zusammen mit seinem Vater und seiner Schwester mit der Familie Martines in Kontakt. Auch bei seinem nächsten Besuch 1773, als beide inzwischen Kollegen in der renommierten "Accademia Filarmonica" von Bologna waren, verkehrten die Familien regelmäßig, wie aus Leopold Mozarts Briefen hervorgeht. Als er dann in Wien lebte, besuchte er die Konzerte im Hause Martines und spielte mit der Gastgeberin vierhändig. Es wurde auch die Vermutung aufgestellt, dass Mozart sein Klavierkonzert KV 175 für Marianna Martines schrieb. In jedem Fall führte sie es am 18. August 1773 bei einem Gartenkonzert auf.7 Ein weiterer Verbindungspunkt ist das Engagement beider in der Wiener Tonkünstler-Sozietät.

 

  1. Irving Godt: Marianna Martines. A Woman Composer in the Vienna of Mozart and Haydn. Rochester 2010. []
  2. Vgl. Godt 2010, S. 10f. []
  3. Vgl. Godt 2010, S. 12f. Es finden sich auch Gerüchte, dass die Beziehung der beiden über eine Freundschaft hinausgegangen sein soll. Hierfür gibt es allerdings keinerlei Anhaltspunkte, sodass es sich vermutlich um Versuche der Diskreditierung handelt. []
  4. Vgl. Godt 2010, S. 154. []
  5. Vielen Dank für den freundlichen Hinweis an Dr. Michael Lorenz []
  6. Vgl. Godt 2010, S. 193ff. []
  7. Vgl. Godt 2010, S. 141. []