Streichquartette

Die Mozartsche Kammermusik, und damit auch seine Streichquartettkompositionen, waren ursprünglich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern wurden im kleinen Kreis aufgeführt. Zwar entstand auch schon eine frühe Serie von Quartetten insbesondere in Italien in den Jahren 1772/73, die späten Werke der Gattung sind jedoch ausschließlich in der Wiener Zeit entstanden. In den Jahren 1782-85 entstanden sechs Joseph Haydn gewidmete Quartette, 1786 das Hoffmeister-Quartett, KV 499 und als letzte Gruppe die drei „Preußischen Quartette“ von 1789 und 1790, KV 575, 589 und 590.1

Das Streichquartett in der Mozartzeit

Als freie, autonome Kunstform, unabhängig von Wort, Text und Programm, und befreit von jeglicher Absicht und Abhängigkeit, entsprach sie ganz dem Geist der Zeit: weder zu repräsentativen Zwecken eingesetzt, noch gebunden an die Verpflichtung, den gesellschaftlichen Rahmen vornehmer Leute zu verschönern und als „Unterhaltungsmusik“ zu fungieren, wie es die Serenaden und Divertimenti tun, ging die Entstehung eines Streichquartetts in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts immer auf die Initiative des Komponisten selbst zurück.2 „Das Quatuor anjetzt das Lieblingsstück kleiner musikalischer Gesellschaften.“3 Trotzdem konnte das Quartett Bezug nehmen auf die anderen musikalischen Gattungen und so auch Außermusikalisches für die Hörer und Spieler erlebbar machen, Anklänge schaffen zu Opernarien, Sinfonien, Konzerten usw. und als freie Form ernst, trivial und ironisch zugleich sein. Für Mozart standen nicht Virtuosität oder die Verwendung strenger kompositorischer Techniken wie Kontrapunkt und Fugen im Vordergrund, sein Ziel war es vielmehr, die kontrastierenden Sätze des Streichquartetts bei gleichzeitiger satztechnischer Dichte so lebendig und ideenreich wie möglich zu gestalten: Quartette als „Abbilder höchst differenzierter, musikalisch erschlossener, entwickelter und geformter Lebensbewegungen“.4

Adlige und bürgerliche Salons – das gemeinsame Musizieren

Mozart hat nach seiner Übersiedelung nach Wien ab Frühjahr 1781 dort eine traditionsreiche Kammermusikkultur vorgefunden, die ihn inspirierte, sich der Komposition von Werken  unterschiedlicher Besetzung zu widmen, die in den Salons des Adels und des Bürgertums aufgeführt wurden. Leider existieren keine detaillierten Berichte über Ort und Ablauf der Veranstaltungen. Eine entscheidende Rolle spielte seit 1784 für Mozart jedoch das Wiener Palais Thun. Dort wurde in zwangloser Atmosphäre musiziert und es gab viele Möglichkeiten, Gespräche zu führen und Kontakte zu knüpfen, die für Mozart ein wichtiges soziales Kapital darstellten. In den adligen Salons wurde das häusliche Musizieren halböffentlich erweitert, Dilettanten5 und Berufsmusiker trafen hier aufeinander und sogar Mozart selbst hat im Hause Thun gespielt. Nicht Herkunft und sozialer Status, sondern das gemeinsame Interesse an Musik, Literatur, Sprachen und Wissenschaften rückten nach den neuen Ideen der Aufklärung in den Vordergrund.

Musizieren im kleinen Kreis

Durch die guten Möglichkeiten der Verbreitung und damit Aufführbarkeit der Streichquartette durch den Notendruck bildeten sie eine gute Einnahmequelle für Mozart, zumal er in seinen  Honorarforderungen unabhängig war von dienstlichen Aufträgen und Vereinbarungen mit Auftraggebern. Die ausführenden Musiker bildeten ihr eigenes Publikum, deren hauptsächliches Anliegen es war, miteinander in Kommunikation zu treten. Das eigene individuelle Erleben, die Darstellung von Empfindungen und deren Übertragung auf die Wahrnehmenden und Zuhörenden gewann zunehmende Bedeutung.6 Die Konzentration auf Instrumente einer Familie und der damit verbundene Verzicht auf alles Bunte und Schillernde, was z.B. den Reiz von Orchestermusik ausmacht, ermöglicht den Spielern größtmögliche solistische Entfaltung im Ensemblespiel. In den Jahren 1783-91 sind in Wien Streichquartette entstanden, die einerseits herkömmliche Normen sprengen, gleichzeitig jedoch aber auch alte Traditionen berücksichtigen, um die Fülle der „musikalischen Bewegungen…so lebendig und lebhaft wie eben möglich vorzuführen“7 (z.B. Quartett C-Dur, „Dissonanzen-Quartett“, KV 465 und Quartett D-Dur, „Hoffmeister-Quartett“, KV 499).

 

 

  1. Vgl. Ulrich Konrad: Mozart-Werkverzeichnis. Kassel 2005, S. 124. []
  2. Vgl. Wilhelm Seidel: Experimente, sechs musikalische Charaktere und absolute Musik. In: Klavier und Kammermusik. Das Mozart-Handbuch, Bd. 2. Hrsg. von Matthias Schmidt. Wien 2006, S. 348ff. []
  3. H. Chr. Koch: Versuch einer Anleitung zur Composition, Bd. 3. Leipzig 1793, S. 325. []
  4. Seidel 2006, S. 350. []
  5. Der Begriff des Dilettanten bedeutete keine Geringschätzung, sondern nur das nicht berufsmäßige Ausüben der Kunst, sagt demnach also nichts über die Qualität des Musikers aus. []
  6. Vgl. Matthias Schmidt: Entwickelnde Vielfalt - Mozart und die Kammermusik. In: Klavier und Kammermusik. Das Mozart-Handbuch, Bd. 2. Hrsg. von Matthias Schmidt. Wien 2006, S. 20f. []
  7. Seidel 2006, S. 350. []