Die Freimaurerloge: Ernst und Falk

Gotthold Ephraim Lessing: Ernst und Falk – Gespräch für Freymäurer (1776-1778), “Zweites Gespräch”:

„[…]

FALK Ich dächte! Recht sehr zu wünschen, daß es in jedem Staate Männer geben möchte, die über die Vorurteile der Völkerschaft hinweg wären und genau wüßten, wo Patriotismus Tugend zu sein aufhöret.

ERNST Recht sehr zu wünschen!

FALK Recht sehr zu wünschen, daß es in jedem Staate Männer geben möchte, die dem Vorurteile ihrer angeborenen Religion nicht unterlägen; nicht glaubten, daß alles notwenig gut und wahr sein müsse, was sie für gut und wahr erkennen.

ERNST Recht sehr zu wünschen!

FALK Recht sehr zu wünschen, daß es in jedem Staate Männer geben möchte, welche bürgerliche Hoheit nicht blendet und bürgerliche Geringfügigkeit nicht ekelt; in deren Gesellschaft der Hohe sich gern herabläßt und der Geringe sich dreist erhebet.

ERNST Recht sehr zu wünschen!

FALK Und wenn er erfüllt wäre, dieser Wunsch?

ERNST Erfüllt? - Es wird freilich hier und da, dann und wann, einen solchen Mann geben.

FALK Nicht bloß hier und da; nicht bloß dann und wann.

ERNST Zu gewissen Zeiten, in gewissen Ländern auch mehrere.

FALK Wie, wenn es dergleichen Männer itzt überall gäbe? zu allen Zeiten nun ferner geben müßte?

ERNST Wollte Gott!

FALK Und diese Männer nicht in einer unwirksamen Zerstreuung lebten? nicht immer in einer unsichtbaren Kirche?

ERNST Schöner Traum!

FALK Daß ich es kurz mache. - Und diese Männer die Freimaurer wären?

ERNST Was sagst du?

FALK Wie, wenn es die Freimaurer wären, die sich mit zu ihrem Geschäfte gemacht hätten, jene Trennungen, wodurch die Menschen einander so fremd werden, so eng als möglich wieder zusammenzuziehen?

ERNST Die Freimaurer?

FALK Ich sage: mit zu ihrem Geschäfte.

ERNST Die Freimaurer?

FALK Ach! verzeih! - Ich hatt' es schon wieder vergessen, daß du von den Freimaurern weiter nichts hören willst - Dort winkt man uns eben zum Frühstücke. Komm!

[…]“

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